Bürgermeister Steiner besucht Japan - 2

Meine Japanreise - Bericht von Bürgermeister Leopold Steiner, Teil 2 (Gemeindekurier 7-9/1968)

Unsere nächste Station war Amihari, wo wir in einem großen Berghotel in 700 m Seehöhe mit Bergsteigergruppen aus Iwate zusammentrafen und auch dort übernachteten. Eine warme Quelle ermöglichte uns in einer kleinen Halle ein Bad, während es draußen schneite. Die Hotelräume werden mit Warmluft geheizt. Von Amihari ging die Fahrt über Morioka wieder nach Ohasama zurück, wo uns auf der Straße im Auto ein ziemlich lang andauerndes Erdbeben überraschte. Es war dies seit 70 Jahren das stärkste Beben in dieser Gegend, welches hauptsächlich in den Küstenstädten erheblichen Schaden verursachte. Ansonsten sind in Japan kleinere Erdbeben an der Tagesordnung.

Auf Amihari, im Schigebiet von Shizukuishi
Beim Abendessen
Kampai!
Ein gemütlicher Abend mit Musik
Eine Tanzgruppe
Publikumstanz
Vor dem Hotel
Bürgermeister Steiner wird zum Ehrenbürger von Ohasama ernannt

Im Sitzungssaal des Rathauses von Ohasama wurde ich am Nachmittag in feierlicher Form zum Ehrenbürger von Ohasama ernannt (mit Urkunde und Ehrenzeichen). Bei einem darauffolgenden Besuch in einem buddhistischen Tempel wurde in Anwesenheit des gesamten Gemeinderates durch drei Priester ein Gottesdienst zelebriert, bei welchem für die Gefallenen von Berndorf und Ohasama und für weiteres glückliches Gedeihen der beiden Schwesterstädte gebetet wurde.

Interessant war auch der Besuch des Hauses vom Vorsitzenden des Gemeinderates. Ein alter, schöner Holzbau, mit einem typisch japanischen Garten, innen einem Museum gleichend. Die zahlreiche Familie, meistens Frauen verschiedenen Alters, begrüßte uns in hellfarbigen Kimonos.
Verabschiedung

Am nächsten Tag, den 17. Mai waren wir in Hanamaki, wo das Rathaus, ein alter Holzbau, vom Bürgermeister gezeigt wurde. In dieser Stadt gibt es 9 heiße Quellen als Sehenswürdigkeit für Fremde. Die nächste Stadt, die wir besuchten, war Towa, mit einem schönen, neuen Rathaus aus Beton, welchem auch das Erdbeben nichts anhaben konnte. Hier gibt es schöne, künstlich angelegte Teiche für Süßwasserfischzucht. Kostproben wurden uns gastfreundlich serviert, z. Bsp. wohlschmeckende gebratene Lachs-Forellen. Abends wieder in Ohasama angelangt, wurden uns im Hause eines Gemeinderates interessante Tänze von Männern vorgeführt, welche als besonders akrobatische Leistungen gewertet werden müssen.

In Towa-cho
Fischrestaurant

Noch einmal fuhren wir nach Morioka, um bei der Eröffnung eines Bergsteiger-Wettbewerbes anwesend zu sein. 200 Teilnehmer, Männer und Frauen, waren in Bergausrüstung angetreten. Ein anatomisches Institut für die Erforschung von Tierkrankheiten (das einzige in Japan) wurde uns ebenfalls in Morioka gezeigt. Dort trafen wir übrigens den jungen Tierarzt, der nächstes Jahr nach Berndorf kommen wird, um am Kremesberg bei Herrn Dr. Hess von der tierärztlichen Hochschule Wien sein Wissen zu erweitern.

Bergsteiger-Treffen
Bergsteiger aus ganz Iwate sind gekommen
Dankesrede
Von Kindergartenkinder bejubelt...

Am Sonntag, dem 19. Mai waren wir bei einer Forstarbeiter-Versammlung in Ohasama und nachher bei einem traditionellen, alljährlich im Mai abgehaltenen Sportfest der Gemeindebediensteten, wo diese mit Kind und Kegel versammelt waren, um einen frohen Tag in beschwingter Freude zu erleben. Die Kindergartenkinder tanzten nette Reigen, mit rot-weiß-roten und japanischen Fähnchen ausgestattet. Weiters gab es Belustigungen für Jedermann, wie z. Bsp. Wettlaufen mit verschiedenen Hindernissen. Natürlich mussten dabei auch die beiden Bürgermeister mittun. Von dieser Veranstaltung gibt es eine Menge schöner Fotos, wie übrigens jeder meiner Schritte in Ohasama und in ganz Japan fotographisch festgehalten wurde.

Auf die Plätze, fertig..
los!

Nach dem anstrengenden sportlichen Vergnügen gab es ein gemeinsames Mittagessen, natürlich wieder echt japanisch. Sozusagen als Nachspeise gab es verschiedene Tanz- und Gesangsauführungen, wo besonders bei letzteren die beiden Bürgermeister zum Mitmachen aufgefordert wurden und mit großem Applaus bedacht waren. Am Nachmittag wohnten wir der interessanten Vorführung von Judo- und Kendosport bei, wo Jung und Alt ihre Künste zeigten. Ich wurde zum Ehrenmitglied des Judovereines von Ohasama ernannt und bekam auch einen Sportdress für Judo und Kendo als Geschenk. Kendo ist das Stabfechten. Am Morgen des 21. Mai war wieder eine große Menschenmenge auf der Straße versammelt, um mir "Sayonara" (auf Wiedersehen) zu sagen und wo ich mich für die Gastfreundschaft bedanken konnte.

Anprobe eines Kendo-Anzuges
Fertig adjustiert
Überreichung des Kendo-Anzuges als Geschenk
Verabschiedung in Ohasama
Abschied von Ohasama
Tempel in Hiraizumi

Die Fahrt ging vorerst mit dem Gemeindeauto nach Hiraizumi, wo ein interessanter goldener Tempel besichtigt wurde, welcher aus der Zeit der Dynastie Fujiwara stammt und von einem großen Teich mit Garten umgeben ist. Anschließend fuhren wir dann zur Bahnstation, um mit dem Schnellzug nach Tokio zu fahren. In meiner Begleitung waren Bürgermeister Murata, Mieko und 2 Gemeindeangestellte von Ohasama, welche für die nächste Besuchsreise die Quartiermacher und Reisemarschall waren. Bei der Ankunft in Tokio um 22 Uhr begann die 3. Etappe meiner Japanreise.

Am Bahnhof
Hotel New Otani
Olympiastadion in Tokio
Tokio
Kläranlage in Tokio
Bei der Kläranlage

Im Hauptbahnhof von Tokio wurden wir von einer deutsch-sprechenden Angestellten der japanisch-österreichischen Gesellschaft in Tokio empfangen und wir fuhren mit zwei Taxis in das erstklassige Hotel "New-Otani", welches mit seinen 16 Stockwerken, auf einem interessanten Grundriss in Sternform erbaut, Gäste aus aller Welt beherbergt. Ein ewiges Kommen und Gehen zeigt von der unvorstellbaren Frequenz dieser Hotels in der größten Stadt der Erde. Ein exquisites "Dinner" beschloss den ereignisreichen Tag des 21. Mai. Am nächsten Morgen fuhren wir zum Gouverneur von Tokio, wo ich den "Goldenen Schlüssel" der Stadt Tokio und ein herrliches Album mit den Sehenswürdigkeiten dieser interessanten Großstadt überreicht bekam. Eine Auszeichnung, die wie mir der österreichische Botschafter in Tokio später sagte, nicht oft einem Besucher zuteil wird. Nachher ging die Fahrt per Gemeindeauto zur Großkläranlage, welche die Abwässer von etwa 40 % der Häuser über das Kanalnetz bekommt und somit 60 % der Häuser noch keinen Kanal-Anschluss haben, ein Problem aller zu rasch gewachsenen Großstädte.

Es gibt noch viele niedrige, meist 2-geschoßige Häuser in den äußeren Bezirken. In der inneren Stadt dagegen sind prachtvolle Bauten für das Parlament und die Ministerien zu sehen, in welchen Gebäuden wir auch empfangen wurden. Im Parlament wohnten wir einer Unterhaus-Sitzung bei. Beim Mittagessen in einem modernen Restaurant trafen wir den ehemaligen Botschafter in Wien, Exzellenz Shinsaku Hogen und Gattin, sowie Madam Shiina, die Gattin des Handelsministers und deren Sohn, welche im Jahre 1965 in Berndorf waren. Am Nachmittag zeigte uns ein Herr der Bodenreform-Gesellschaft die Bemühungen der Stadtverwaltung für die Errichtung eines neuen, modernen Geschäftsviertels für 300.000 Personen, welche in parkumsäumten Hochhäusern ihren Berufen nachgehen werden. Abends gab es in der Botschaft ein nettes Beisammensein auf echt Wiener Art, nachher waren wir im Hause des Bergsteiger-Führers Yahaba geladene Gäste, wo wir sehr gastfreundlich betreut wurden und im Kreise der Familie um 3 Uhr früh in einer angeregten Unterhaltung den angebrochenen Morgen begrüßten. Nach kurzem Schlaf fuhren wir mit dem Schnellzug mit einer Stundengeschwindigkeit von über 200 km nach Kyoto bzw. Kameoka, der Schwesterstadt von Knittelfeld, wo Bürgermeister Dr. Otsuky, der im Jahre 1967 mit einer Studentendelegation in Berndorf war, unsere Führung übernahm und uns ausgezeichnet betreute. Das Rathaus von Kameoka, eine moderne Schule für 1.200 Kinder und viele Sehenswürdigkeiten, vor allem interessante Buddhatempel in Kyoto, wurden besucht. Die Autofahrt auf einer schön angelegten Bergstraße brachte uns in hochgelegene Gebiete, und vermittelte uns einmalige Ausblicke in herrliche Landschaften. Tagsüber war es sehr warm, wir befanden uns ja in südlichen Breitegraden, doch hatten wir abends Gelegenheit, in einem schönen Hallenbad angenehm zu baden.

Parlament
Mit dem Shinkansen geht die Fahrt Richtung Süden
Stahlwerk in Kurashiki
Kurashiki
Washuzan

Am 25. Mai befanden wir uns auf der Fahrt nach Kurashiki, der Schwesterstadt von St. Pölten, wo wir am Bahnhof von Bürgermeister Oyama begrüßt und in seine Obhut genommen wurden. Diese Stadt hat 300.000 Einwohner und große Industrieanlagen, wie z.B. ein modernes Stahlwerk, aber auch kulturelle Einrichtungen und fremdenverkehrsfördernde, am Meer gelegene Hotelbetriebe. Am herrlichen Sonntagmorgen des 26. Mai besuchten wir Washuzan, in einer Meeresbucht mit tropischem Pflanzenwuchs und eigenartigen Landschaftsbild. Abends waren wir bei einem Österreichabend geladen, der hier monatlich einmal stattfindet, wo Werke voll Beethoven, Mozart und anderen österreichischen Komponisten vorgetragen werden. Das zahlreich erschienene japanische Publikum lauschte andächtig den musikalischen Darbietungen.

Am 27. Mai wurden uns in Kyoto weitere Sehenswürdigkeiten gezeigt, u.a. verschiedene Museen, in welchen auch zahlreiche Werke von Künstlern aus westlichen Ländern ausgestellt sind. Die Anordnung und Einrichtung dieser Museumsräume sind beachtenswert und für unsere Begriffe eigenartig schön. Die vielen Besucher müssen ihre Schuhe ausziehen und in bereitgestellte Pantoffel schlüpfen, was wohl im Interesse der Reinhaltung dieser schönen Lokalitäten nur nützlich ist. Besonders erwähnt muss auch der Goldpavillon des Kinkakuji-Tempels werden, welcher an einem großen Teich erbaut wurde, in dessen Wasser sich das Bauwerk widerspiegelt. Man sagt "Wer Kyoto nicht gesehen, hat Japan nicht gesehen!" Reich an geschichtlichen Erinnerungen an Ruhm und Glanz der ehemaligen Kaiserstadt hat diese Stadt sehr viele großartige Tempelbauten, unter anderem den Ryoanji-Tempel mit seinem zur Besinnlichkeit mahnenden Steingarten. Ganz moderne Bauwerke zeugen vom Fortschritt und der internationalen Bedeutung dieser Kulturmetropole des fernen Ostens. So konnten wir die architektonisch einmalig schöne Kongresshalle, am Takaragaike-Teich gelegen, besichtigen.

Museum in Kyoto
Goldener Pavillon
Nara - Todaiji Tempel
Nara - Kasuga Schrein
Reinigung vor dem Betreten eines Schreines
Meine Begleiter auf der Reise

Am nächsten Tag, dem 29. Mai ging es in einer längeren Autofahrt nach Osaka, um dort die große Fabrikanlage der Suntory-Whisky-Gesellschaft zu besuchen. Diese Firma erzeugt sowohl Whisky, Bier und auch Wein und beliefert ganz Japan. Osaka ist die zweitgrößte Stadt und wird 1970 die Weltausstellung (EXPO 1970) beherbergen, zu welcher schon jetzt große Vorbereitungsarbeiten getroffen werden. Die nächsten Besuche galten den Städten Nara und Nagoya, wo die Führung Dr. Yoshihiro Tanaka übernahm, welcher uns die vielen Sehenswürdigkeiten dieser Städte zeigte. Besonders interessant war in Nara der Todaiji-Tempel mit der Riesen-Buddha-Statue mit einer Körpergröße von 16,20 m. Viele vergoldete Buddha-Figuren umrahmen die große Statue in einer Art Glorienschein. Zur Schilderung vieler anderer Sehenswürdigkeiten in den einzigartigen Städten Nara und Nagoya fehlt mir hier leider der Raum. Am 30. Mai ging es wieder zurück nach Tokio, wo wir abends ankamen, Yasuko Murata und die kleine Misa erwarteten uns am Bahnhof.

Am Abend besuchten wir noch die Niederlassung der deutschen Firma BASF in Tokio um über Lizenzvertrags-Erfahrungen hinsichtlich Aluminiumbäderbau in Japan sich zu informieren. Der 31. Mai war ein Tag des Abschiedsnehmens. Um 13 Uhr waren wir beim österreichischen Botschafter zum Mittagessen geladen, wo zusammenfassend über wirtschaftliche Möglichkeiten im Interesse der VMW-Berndorf in Verbindung mit Japan bzw. Ohasama gesprochen wurde. Um 18 Uhr war ein Empfang bei der Studentendelegation, welche im Jahre 1967 u.a. auch in Berndorf war. Eine herzliche Wiedersehens- und zugleich Abschiedsfeier, wo die Mädchen im "Dirndl" erschienen waren, wird mit immer in Erinnerung bleiben. Unmittelbar darauf war in einem benachbarten Raum des selben Hotels eine andere sehr eindrucksvolle Abschiedstafel. Eine Anzahl von Gemeinderäten von Ohasama, sowie meine ständigen Begleiter wie Bürgermeister Murata, dessen Frau Yasuko und die Bergsteiger Ito und Kikuchi, sowie Eltern, Großmutter und Verwandte von Toshiaki Sasaki, welcher mit mir nach Berndorf gekommen ist, waren versammelt, um in überaus herzlicher Art von uns beiden Abschied zu nehmen.

Der letzte Abend in Tokio

Nächsten Morgen fuhren wir mit Taxis zum Hafen um die Passformalitäten zu erledigen, und unsere Plätze auf dem russischen Schiff "Chabarowsk" zu besetzen. Viele Freunde und Bekannte waren an der Mole erschienen, um Abschied zu nehmen. Sie warfen unzählige Papierstreifen (ähnlich unseren Koriandolis) zu uns an Bord, um bei der Abfahrt symbolisch mit den Abreisenden möglichst lange in Fühlung zu sein. Am Pfingstsonntag, den 2. Juni waren wir auf hoher See, und die weitere Heimreise gestaltete sich ebenso wie die Hinfahrt. Ein Tag Aufenthalt in Moskau ermöglichte eine Besichtigung der einmaligen Schatzkammern des Kremls und der eigenartigen Kirchen und öffentlichen Gebäuden im Zentrum der modernen Hauptstadt der Sowjetunion. Auf der Fahrt von Moskau nach Wien sollte ich in Warschau zurückbleiben, weil der Schlafwagen in welchem ich mich befand, abgehängt wurde. Es gelang mir aber, in der Schlafkoje des Schaffners unterzukommen und damit fahrplanmäßig in Wien am 7. Juni anzukommen, wo mich schon meine Frau und meine Freunde in der Heimat willkommen hießen. Eine interessante und lehrreiche Weltreise war hiermit zu Ende und ich werde noch Gelegenheit haben, über Erfolg und Ausblick dieses Japanbesuches zu berichten. Viele Menschen, die ich kennen gelernt habe, haben versprochen, bald nach Österreich und auch nach Berndorf zu kommen.

Mit Toshiaki Sasaki auf dem Schiff
Abfahrt in Yokohama
Hafen von Nachodka

 

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